Um das Thema mal aus der Sicht von Betroffenen darzustellen, haben wir eine Umfrage bei psychisch Kranken dazu gestartet. Die Antworten werden hier dargestellt.
1.) Als ich auf die Gesamtschule kam, wusste niemand, dass ich eine posttraumatische Belastungsstörung habe. Es wurde nicht diagnostiziert. Ich war immer sehr müde in der Schule und schlief dort auch ein, weil ich nachts nicht schlafen konnte. Ich lebte immer noch unter schwierigen Verhältnissen. Daher schlief ich nachts nicht. Das Resultat war, dass ich in der Schule nicht mitkam. Doch es interessierte niemanden wirklich, was mit mir los war. Die Leute fingen an, mich zu ärgern. Zuerst die Schüler und dann auch die Lehrer. Erst nur leichtes Necken, später richtig böse Streiche. Ich war froh, als ich nach einem Jahr von der Schule geworfen wurde. Damit war das gezielte Mobbing vorbei. Danach wurde ich nur noch als faul beschimpft, bis ich mit 24 Jahren in die Psychiatrie eingewiesen wurde. Dort wurde zum ersten Mal eine posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert, die zu der Zeit über 18 Jahre zurücklag und aufgrund sexualisierter Gewalt in der Kindheit entstanden war. l.g Andre`
2.) Es gibt auch Menschen, die trotz einem offenen Umgang mit ihrer Erkrankung, keine/kaum Diskriminierung erfahren.
3.) Während einem Aufenthalt in der psychiatrischen Klinik, wurde einer Patientin geraten Antidepressiva zu nehmen. Da sie dies jedoch ablehnte, wurde ihr dies eine Woche später bei der Visite vorgeworfen. „ Wenn Sie keine Tabletten nehmen wollen, kann es Ihnen auch nicht besser gehen.“ Der Arzt zeigte kein Verständnis für die Ansichten der Patientin und behandelte sie von oben herab. Dabei hätte die Einnahme von Antidepressiva innerhalb einer Woche kaum bis keine Wirkung gezeigt, weil dies bis zu 3 Wochen dauern kann.
4.) Meine Erfahrung mit der Diskriminierung aufgrund meiner psychischen Erkrankung Nach 6-wöchiger Krankschreibung, und Eintritt ins Krankengeld, beauftragte meine KK den MDK mich telefonisch zu begutachten: Hier Auszüge aus meinem Widerspruch, der auch eine Art Gedächtnisprotokoll des Telefonats/Gutachtens mit dem Arzt ist. Ablauf der Anamnese: als dritter Punkt wurde mein Körpergewicht abgefragt, womit ich nicht einverstanden war, da ich den Zusammenhang zwischen Gewicht und meinem mentalen Zustand nicht erkenne und dies mir auch nicht erläutert wurde. Fehlerhafte Niederschrift meiner Angaben: es stimmt nicht, dass vorangegangene Reha nicht meinen Vorstellungen entsprachen, sondern, dass die Effekte durch die Arbeitssituation wie ausgelöscht worden sind. Es entspricht weiterhin nicht, dass ich das Gespräch abgebrochen/beendet habe, ich habe lediglich angekündigt, das Gespräch zu beenden, wenn sich die Anamnese nicht in eine andere Richtung entwickelt. Aufgrund dieser Ansage hat der Arzt das Gespräch ohne Verabschiedung von sich aus beendet. Dauer des Gutachtens: 2-3 Minuten. Danach wurde das Gespräch, was eher einem Kreuzverhör ähnelte beendet. Das Gespräch empfand ich als sehr demütigend und nicht wertschätzend. Ich habe die Einschätzung zu meinem Gewicht so verstanden, dass es ja kein Wunder wäre, wenn ich nur „fett und faul“ auf der Couch liegen würde und mein mentaler Zustand sich nicht verbessere. Nachdem mir die Krankenkasse das MDK-Gutachten ausgehändigt hat, habe ich sofort den Widerspruch formuliert und bei der KK eingereicht. Bis Stand heute Ende 2023 habe ich keine Reaktion von der KK bekommen. Drei Wochen nach dem telefonischen Gutachten bin ich für 7 Wochen in der allgemein psychiatrischen Tagesklinik gewesen und habe 5 Monate nach der Tagesklinik eine berufliche Reha von 12 Monaten absolviert. Aber Stand Mitte Februar 2022 bin ich arbeitsfähig…
5.)Als Teenager bekam ich Depressionen die sich mit grippeähnlichen Symptomen äußerten. Bis die Diagnose gestellt wurde, dauerte es ein paar Jahre. In der Zeit wurde ich seitens meiner Mutter als Simulant abgestempelt, solle mich nicht so anstellen. Auch bezüglich der PTBS habe ich schon mehrfach zu hören bekommen, dass es zulange her ist, um noch Schwierigkeiten zu haben. „das kann doch keine Rolle mehr spielen.“ Zeit spielt bei traumatischen Erfahrungen keine Rolle, hier können auch Jahrzehnte später Symptome auftreten. Ist das Trauma nicht verarbeitet, hat das Gehirn keine Möglichkeit es der Vergangenheit zuzuordnen. So können bestimmte Auslöser die Erlebnisse wieder aufflackern lassen, dann ist von Flashbacks die Rede. Hier noch eine Ergänzung zum Thema Diskriminierung: Natürlich wurden wir auch schon mal diskriminiert. Von Arbeitgebern, vom direkten Umfeld. Von Menschen auf der Straße. Einen Demütigen Moment hatte ich mal mit meiner Sachbearbeiterin im Jobcenter. Sie fragte mich, was ich denn genau hätte. Ich sollte ihr alle Facetten meiner Erkrankung erörtern. Was ich natürlich nicht tat. Zu meiner Erkrankung gehören auch sexuelle Entgleisungen. Von sowas muss ich nicht meiner Sachbearbeiterin besprechen… Ich muss nicht alles preis geben, um weiterhin Leistungen im Rahmen einer Wiedereingliederung zu erhalten. Bipolare Störung reicht aus.