Eine Psychose ist eine Möglichkeit psychischen Erlebens, ist also Teil des Menschseins. Psychosen in ihrer vollen Ausprägung sind eine existenzielle und umfassende Erfahrung, eine Erschütterung des Ich, der sozialen, psychischen und körperlichen Gesamtsituation. Das Leben eines Menschen und seiner Umgebung ist im Ganzen betroffen. Der sensible, dünnhäutige Mensch ist aus seiner Mitte „verrückt“.
Es gibt verschiedene Arten von Psychosen. Zum einen kennen wir affektive Psychosen, wo überwiegend Stimmung, Antrieb, Gefühl und Energie betroffen sind. Zum anderen kennen wir schizophrene Psychosen, wo die Sinneswahrnehmung und das Denken verändert sind. Im praktischen Erleben mischen sich diese Symptome häufig und bekommen eine individuelle Ausprägung.
Eine Psychose kann und ist eine sinnvermittelnde Erfahrung. Es geht also in der Behandlung nicht darum, eine sinnlose Erkrankung schnell weg zu machen, sondern es geht darum, Symptome wie Wahn, Angst, Qual, Affektstörungen und ähnliches zu verstehen und zu tragen, sie z.B. als Ausdruck einer Flucht aus der Realität zu verstehen. Die psychotischen Symptome dienen also erst einmal zum Schutz des in Auflösung begriffenen Ich und zur Abwehr von übermäßiger Angst.
Für die Therapie folgt daraus, dass insbesondere am Anfang diese Symptome nicht nur medikamentös behandelt werden müssen, sondern es geht gleichermaßen um einen therapeutischen Prozess, der zur Stabilisierung des Ich beiträgt.
Langfristig hat jede Psychose individuelle Besonderheiten und die Behandlung muss alle subjektiv psychologischen, sozialen und körperlichen Zusammenhänge einbeziehen.
Die Therapie von Psychosen ist deshalb immer eine Langzeitbehandlung, möglichst in Beziehungskonstanz.
Die Menschen benötigen eine hilfreiche und unterstützende Begleitung im Bereich Behandlung sowie eine Unterstützung im psychosozialen Bereich, z. B. durch Wohnbetreuung, ambulante Pflege, Unterstützung durch einen rechtlichen Betreuer u. ä.
Die medikamentöse Behandlung sollte individuell angepasst sein und richtet sich nach der Verträglichkeit und nach dem Verlauf der Erkrankung. Die Behandlung mit Medikamenten erfordert eine enge Zusammenarbeit zwischen Patient und Arzt, um eine gute individuelle Schutzfunktion der Medikamente herzustellen.
Die Behandlung der psychotischen Symptome erfolgt mit Neuroleptika (z. B. atypische Neuroleptika der neueren Generation wie Olanzapin, Quetiapin, Aripiprazol, Amisulprid, Risperidon usw.) In einzelnen Fällen kommen auch Medikamente wie Fluanxol, Ciatyl, Haldol u. ä. zum Einsatz.
Bei affektiven Psychosen ist es sinnvoll zusätzlich eine Phasenprophylaxe mit Lithium, Valproat oder Lamotrigen durchzuführen.
Wenn Klienten zusätzlich unter depressiven Symptomen leiden oder die depressive Symptomatik im Vordergrund steht, kommen verschiedene Antidepressiva zum Einsatz. Diese können zum Einen Stimmung und Anrieb verbessern, aber auch Unruhe, Angst und Schlafstörungen lindern.
Ziel der gesamten medikamentösen Behandlung ist es, die Symptome zu lindern oder zu beseitigen, aber es geht auch um Stabilisierung, guten Schlaf und langfristig um eine Stabilität der gesamten persönlichen und sozialen Situation.
Als dritte Säule der Behandlung neben sozialer Unterstützung und medikamentöser Behandlung sollte immer auch eine psychotherapeutische Begleitung erfolgen. Diese kann stützend sein, sie kann aber auch eine langfristige Psychotherapie beinhalten, die sich mit der eigenen Biographie, mit Verhaltensmustern und Krankheitsbewältigungsmechanismen beschäftigt.
Die Behandlung wird immer individuell durch weitere Angebote im Bereich Ergotherapie, Physiotherapie, Reha-Sport, Job-Coaching u. ä. unterstützt.
In dem gesamten therapeutischen Prozess hat die Selbsthilfearbeit eine besondere Funktion, sie gibt den betroffenen Menschen einen wichtigen Erfahrungsaustausch, sie kann unterstützen, begleiten und verstehen.
Die Mitwirkung der Selbsthilfeorganisationen im psychiatriepolitischen Bereich hat mittlerweile eine hohe Bedeutung gewonnen und ist für alle professionellen Mitarbeiter eine gute Rückmeldung und Unterstützung.
Dr. Iris Jiko Ä f. Psychiatrie u. Neurologie
Psychotherapie
– Leiterin der Ambulanz-