Erna Kronshage
MEIN LACHEN I ST WEINEN Gedenken an Erna Kronshage 2 Juni 1 940. Aus einem britischen Kampflieger über Bielefeld Senne werden Bomben abgeworfen. Der Krieg war bis zu diesem Datum von Erna eigentlich weit weg gewesen. Die 1 7-jährige arbeitete im landwirtschaftlichen Betrieb der Eltern. Und nun das: Ein Bombeneinschlag mitten vor der Haustür. Es war der erste Bombenabwurf in ganz Ostwestfalen-Lippe. Für Erna war dieser Bombenabwurf ein Schock, der durch und durch ging. Erna litt. Erna Kronshage war hochintelligent, eins von elf kinder in einer Familie und äußerst sensibel. So trifft ein solches Geschehen besonders hart. Das steckt man als 1 7-jährige nicht einfach so weg – Diese plötzlliche existenzielle Bedrohung aus “heiterem H immel”. Sie hatte dann im Frühjahr 1 942 angefangen sich der Arbeit auf dem Hof zu verweigern. Sie benötigte für sich dringend eine “Auszeit”. Sie war eines Morgens nicht mehr pünktlich aufgestanden, blieb einfach im Bett liegen. Die Sirenen heulten ja inzwischen immer öfter wegen dem Fliegeralarm – und bei den nahgelegenen Raba-Werken schoss dann die Flak. Nachts, wenn englische Bomberverbände Angriffe auf Bielefeld oder Gütersloh oder Paderborn flogen, dann kroch diese Angst hoch, dann fand Erna keinen Schlaf mehr. Wahrscheinlich auf Betreiben der zuständigen NSV-Gemeindefürsorgerin der “Volkswohlfahrt” bekam Erna im Herbst 1 942 eine Einladung zu einer ärztlichen Untersuchung beim Amtsarzt in Brackwede. Bei dem Erna Kronshage den Wunsch äußerte, zur Provinzialheilanstalt Gütersloh (Heute LWL Klink Gütersloh) „gebracht zu werden“, dass es dort zu NS-Verbrechen kam, wusste Erna nicht. Am 24.1 0.1 942 kam sie in die Heilanstalt. Die sofortige Diagnose Schizophrenie folgte die gefürchtete Elektroschocktherapie, die für Erna verordnet wurde. Dann eine Zwangssterilisation am 4.8.1 943. Auch der Kampf des Vaters konnte daran nichts ändern. Er hatte eine “Krankheit” seiner Tochter Erna in vielen Briefen an die Anstalt Gütersloh und an die Erbgesundheitsgerichte stark bezweifelt und immer wieder auf eine Entlassung aus der Anstalt gedrungen. Die Sterilisation in Zuge der NS-Gesetzgebung “zu Verhütung erkrankten Nachwuchs” wurde denoch durchgesetzt. Ab Mitte 1 943 kam es zu einer Tötungswelle der NSAktion “Brand”, deren Aufgabe es war, Patienten zu ermorden zur “Evakuierung aus Luftschutzgründen”. Das wurde auch Erna gesagt, als sie am 1 2.1 1 .1 943 in eine andere Klinik gebracht wurde. Wojewodschafts-Anstalt für Psychiatrie Dziekankain der Nähe von Gniezno (Tiegenhof) hat sich ab dem 1 1 .09.1 939 bis zum 21 .01 .1 945 unter ihrem damaligen Direktor Dr. Victor Ratka rasch zu einer Tötungsanstalt entwickelt. Getötet wurden dort 3586 Patienten. Erna Kronshage starb dort an Hungerkost (mangelnder Nahrung) und über Medikation. NSangebende Todesursache: “Lungenentzündung” am 20.02.1 944. Sie starb im Alter von 21 Jahren “Mein Lachen ist Weinen”, hat sie sich eins geäußert. Heutzutage wäre bei Erna Kronshage wohl möglich eine “Posttraumatische Belastungsstörung” diagnostisiert worden. Symbolisch für viele Euthanasie-Morde in der NS-Zeit haben wir das gut dokumentierte Schicksal der Erna Kronshage genannt. Wir gedenken allen NS-Opfern.